Die Weihnachtsgeschichte aus der Praxis
Die Pferde im Stall erhalten ihre Morgenfütterung. Zwei Stunden später werden alle nach draußen auf die Winterweiden gebracht. Nur Minka, die leicht übergewichtige Haflingerstute hatte diesen Zettel an der Box. Nun ja, denke ich, vielleicht wird sie am Vormittag bewegt, weil die Besitzerin Nachmittags ja die Bescherung für die Kinder macht.
Dann kommt Minka eben etwas später raus…
Weit gefehlt. Am Vormittag läuft also Minka in der Box im Kreis und ruft sehnsüchtig den Kollegen hinterher, die sich bei 5 Grad Plus und Regen von der Seite in Sichtweite von Minka draußen befinden.
Je nach Temperament und Appetit wird sich ausgiebig in der Matsche gewälzt, oder man trifft sich an der überdachten Raufe zur Heu/Stroh mümmeln.
Ich verschließe die Außenklappe und gebe Minka etwas Heu.
Mit Einbruch der Dämmerung erscheint die Familie von Minka.
Minka steht (am Abend vorher blitzblank geputzt) mit einer frisch gewaschenen Stalldecke in der Box. Sauber – kein Matsch an den Ohren, kein nasses Fell – da macht doch die weihnachtliche Streicheleinheit der Besitzerin und deren Anhang (alle im Festtagsoutfit) gleich viel mehr Spaß. Schwer beladen sind sie mit Weihnachtsgeschenken.
Als da wären: ein Elchgeweih, welches Minka stoisch auf ihrem Kopf erträgt, einschließlich der daran hängenden Handy-Fotosession, ein
Komplett-Set Halfter, Bandagen und Satteldecke in Bonbonfarbe mit Weihnachtsmotiv (gut dass Pferde weitestgehend farbenblind sind…) und ein frisch angemachter Obstsalat mit Weintrauben, Orangen, Kiwi, Bananen, Äpfeln und Granatäpfelkernen (ist ja schließlich Superfood).
Dazu wird im Stall ein extra gekaufter Weihnachtsmash noch mit Spekulatius aufgepimpt – ist ja schließlich ein besonderer Tag….
Natürlich wird das „Weihnachtsmenü“ von Minka gefressen, genauso wie die übliche Portion Heu und der Inhalt des vorbereiteten täglichen Futtereimers für die Abendfütterung. Zum Abendessen ist die Familie wieder im trauten Heim.
Ich kann noch eine andere Besitzerin davon überzeugen, dass Pferde (anders als gerüchteweise jedes Jahr aufs Neue in die Welt gesetzt) um Mitternacht NICHT mit ihren Menschen sprechen, und im Stall kehrt Ruhe ein.
Beim abendlichen Rundgang um 21 Uhr stelle ich fest, dass Minka kolikt. Ich rufe die Besitzerin an und sage ihr, dass das Pferd bis zum Eintreffen des Tierarztes geführt werden sollte. Reaktion: Nein, sie sei nicht mehr fahrtüchtig, habe eine halbe Flasche Rotwein intus, im Übrigen solle ich auf gar keinen
Fall den bisherigen Haustierarzt anrufen. Der ginge ihr mit seinen ständigen Ermahnungen, dass Minka auf Diät müsse, schon lange auf den Nerv, es soll also ein anderer kommen.
Gar nicht so leicht, einen Notfalltermin an Heiligabend zu bekommen, wenn der angerufene Tierarzt die Kundin nicht kennt…aber man hat ja so seine Beziehungen…
Ich führe also Minka selbst rund 45 Minuten in der Halle (während meine Familie Weihnachten feiert), bis der gestresste Tierarzt nach der vierten Kolik an Heiligabend erscheint.
Minka wird behandelt, beim nochmaligen Kontrollgang gegen 1 Uhr geht es der Stute wieder gut.
Fröhliche Weihnachten!
Diesen und zahlreiche ähnliche Fälle habe ich leider oft erlebt. Falsch verstandene Tierliebe, der Hang, ein Pferd zu vermenschlichen und weihnachtliche Sentimentalität können für Pferde sehr gefährlich werden. Davon abgesehen, dass die Konsequenzen oft der Stallbesitzer ausbaden muss.
Pferde wissen nicht, dass Weihnachten ist, genauso wenig, dass sie Geburtstag haben, oder dass der dritte Jahrestag bei „seinem Menschen“ herangebrochen ist.
Sie haben kein Bedürfnis nach „besonderen“ Menüs, sondern Pferde haben nur den Anspruch auf artgerechte und bedarfsgerechte Fütterung.
Sie brauchen speziell in der Fütterung keine Abwechslung.
Jedes „Extra“ bedeutet für den Magen-Darm-Trakt eine Umstellung. Diese ist im besten Fall anstrengend und damit unnötig, im schlechtesten Fall wird ein Pferd davon krank.
Dazu kommt, dass viele Pferde aufgrund der Feiertage gar nicht oder deutlich weniger bewegt werden, als sie es gewohnt sind.
Schließlich ist Zeit in Anbetracht von Weihnachtsbesuch, Weihnachtsessen vorbereiten, Christmette und Co ein knappes Gut…..Das gilt auch für die Reitbeteiligung, und außerdem kann das Pferd ja über die Feiertage auch einmal „Ruhe haben“.
Es kommen also viele Faktoren zusammen: Bewegungsmangel, nicht reduzierte (sprich der Arbeitsleistung des Pferdes nicht angepasste), somit falsche Futterration und dazu noch unbekannte Futterkomponenten, die das Pferd belasten.
Deshalb die dringende Bitte:
- Bewegt eure Pferde auch an den Feiertagen!
- Wenn das nicht oder nur eingeschränkt geht, verzichtet auf Kraftfutter und füttert nur Heu!
- Lasst (ungewohntes) Extrafutter konsequent weg!
- Teilt diesen Beitrag fleißig!
(Stallbesitzer und Tierärzte ganz sicher auch...)
Wenn es schon unbedingt Weihnachtsgeschenke für‘s Pferd sein sollen, dann schenkt Ausrüstungsgegenstände (die schaden nicht) oder schenkt eurem Pferd eine sauber berechnete Ration – individuell für euer Pferd, mit den Futtermitteln, die ihr gerne füttern möchtet und auf den Bedarf des Pferdes abgestimmt.
Die hilft langfristig gegen fütterungsbedingte Erkrankungen und führt zu einem gesunden, zufriedenen und leistungsbereiten Pferd.
>> Errechne jetzt die individuelle Ration für dein Pferd
In diesem Sinne – frohe Weihnachten!
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